Autor | anonymous |
Datum | 22.07.2003 20:27 |
Beiträge: | Weitere Infos zur Gesundheitsreform aus den Kobinet-Nachrichten
22.07.2003 - 17:34 Scharfe Kritik an Gesundheits«reform» Berlin (kobinet) Als sozial unausgewogen kritisieren heute die großen Sozialverbände die sogenannten Eckpunkte zur Gesundheits«reform». Mit der gestern als Ergebnis der «Konsensgespräche» gefundenen Kompromisslinie zwischen der Regierung und den Unionsparteien verabschiede man sich endgültig vom Prinzip der solidarischen Krankenversicherung. «Die vorgestellten Vorschläge sind eine Absage an überfällige Strukturreformen und ein Kniefall der Politik vor den Kartellen von Ärzteschaft und Pharmalobbyisten», sagte die Vorsitzende des Paritätischer Wohlfahrtsverbandes (DPWV), Barbara Stolterfoht, die als Gesundheitsexpertin auch der Rürup-Kommission angehört. «Die Bürger werden künftig abgezockt. Sie zahlen den Preis für eine mut- und kraftlose Gesundheitspolitik. Das ist keine Gesundheitsreform», so Stolterfoht weiter. Gerade arme und chronisch kranke Menschen gehörten zu den Opfern der geplanten Neuerungen. Der DPWV forderte unterdessen in einem eigenen Konzept radikale Strukturreformen. Dazu gehöre die Einführung einer Bürgerversicherung, die Anhebung der Beitragsbemessungsgrenze und die Einbeziehung aller Einkommensarten in die Beitragsbemessung. Nach Ansicht des Sozialverbands VdK Deutschland ist die Reform eine Zumutung für Rentner, chronisch Kranke und behinderte Menschen. Der VdK werde prüfen, ob er seine Unterschriftenaktion gegen die einseitigen Belastungen in der Krankenversicherung ausweite, kündigte Verbandspräsident Walter Hirrlinger an: «Wir werden eine unsoziale Politik nicht hinnehmen und wissen dabei Millionen Versicherte auf unserer Seite.» Gefordert wird stattdessen eine Positivliste mit allen wirksamen Arzneimitteln, Verträge der einzelnen Ärzte mit den Krankenkassen, um die Kosten zu drücken und Strukturveränderungen mit denen die Ausgaben auf der Seite der Leistungsanbieter gebremst würden. «Wenn den Politikerinnen und Politikern nicht endlich etwas Besseres einfällt, als den Versicherten ständig ins Portemonnaie zu greifen und damit die Kosten einfach nur zu verlagern, steht in zwei Jahren die nächste Reform auf der politischen Tagesordnung», sagt die Vizepräsidentin des Sozialverbandes Deutschland (SOVD), Marianne Otte, voraus. Dauerhaft sinkende Beiträge in der gesetzlichen Krankenversicherung könnten nur durch eine umfassende Strukturreform erreicht werden. Hierzu gehörten insbesondere die Beseitigung längst erkannter Defizite im deutschen Gesundheitswesen, die Bereitstellung des medizinischen Fortschritts für alle Bürgerinnen und Bürger, die Stärkung der Position und der Rechte von Patientinnen und Patienten sowie die Steigerung der eher mittelmäßigen medizinischen Qualität und der konsequente Ausbau der Prävention. Im einzelnen sehen die Eckpunkte folgende Änderungen in der gesetzlichen Krankenversicherung vor: Zuzahlungen: Künftig sollen von den Versicherten bei allen Leistungen zehn Prozent, mindestens fünf und höchstens zehn €uro, zugezahlt werden. Bei Arzt und Zahnarzt beträgt die Zuzahlung jeweils zehn €uro pro Quartal und Behandlung. Bei Behandlung auf Überweisung entfällt die Gebühr. Die Zuzahlung im Krankenhaus soll für höchstens 28 Tage im Jahr täglich zehn €uro betragen. Für alle Zuzahlungen gilt weiterhin die gesetzliche Höchstgrenze von zwei Prozent des Bruttoeinkommens, bei chronisch Kranken ein Prozent. Kinderfreibeträge können abgezogen werden. Zahnersatz: Die Bürger müssen eine Zusatzversicherung abschließen und können dabei zwischen gesetzlichen und privaten Kassen wählen, denn ab 2005 soll der Zahnersatz nicht mehr von den gesetzlichen Kassen bezahlt werden. Krankengeld: sollen die Bürger ab 2007 allein und ohne Arbeitgeberzuschuss versichern und zusätzlich einen Pauschalsatz von 0,5 Prozent zahlen. Streichung: Die meisten Taxifahrten zur ambulanten Behandlung sollen nicht mehr bezahlt werden. Gestrichen werden auch Sterbegeld, Sterilisation aus nicht-medizinischen Gründen und Entbindungsgeld. Sehhilfen erstattet die Kasse nur noch für Jugendliche bis 18 und schwer Sehbehinderte. Künstliche Befruchtung wird nur noch eingeschränkt bezahlt. Eine Reihe von rezeptfreien Medikamenten wird nicht mehr bezahlt. Beiträge: Der durchschnittliche Beitragssatz soll ab 2004 zunächst nur um 0,8 Prozent auf 13,6 Prozent sinken. Ab 2007 soll er 13 Prozent betragen. Die Arbeitnehmer müssen 6,93 Prozent tragen, die Arbeitgeber 6,08. Rentner mit zusätzlichen Einkünften müssen in Zukunft höhere Beiträge zu gesetzlichen Krankenkassen zahlen. Auf Betriebsrenten und Alterseinkünfte aus selbstständiger Tätigkeit gilt der volle Beitragssatz. Ärzte: Müssen Fortbildungsnachweise erbringen. Die ärztlichen Honorare insgesamt werden auf feste Preise umgestellt. Steigende Ärztezahlen sollen ab 2007 nicht mehr automatisch zu höheren Kassenausgaben führen, wenn dies nicht durch vermehrte Krankheitsfälle gerechtfertigt ist. Die Kassen müssen Hausarztmodelle anbieten. Für Versicherte ist die Teilnahme freiwillig. Krankenhäuser können sich teilweise an ambulanter Behandlung beteiligen. Arbeitszeiten in den Kliniken sollen reduziert werden. Pharmaunternehmen: Für neue Medikamente ohne erkennbaren Zusatznutzen soll es die günstigeren Festbeträge geben. Versandapotheken werden zugelassen. Apotheker dürfen bis zu drei Filialen haben. Die Preisbindung für rezeptfreie Mittel entfällt, Reimporte müssen günstiger abgegeben werden. Patienten: sollen durch einen Patientenbeauftragten besser vertreten werden und beim Arzt auf Wunsch eine Quittung bekommen. Eine fälscherungssichere Patientenkarte soll 2006 eingeführt werden. Bei nachgewiesener Vorsorge sollen die Krankenkassen einen finanziellen Bonus einräumen dürfen. Tarife mit Beitragsrückerstattung oder Selbstbehalt bei niedrigerer Prämie sollen für freiwillig Versicherte möglich sein. Ambulante Behandlungen im EU-Ausland werden bezahlt. Nur für Klinikaufenthalte im EU-Ausland ist eine Genehmigung der Kasse nötig. hjr Massive Kritik kommt inzwischen auch aus den eigenen Reihen der Regierungsparteien. Nach einem morgen erscheinenden Bericht des Berliner «Tagesspiegel» hat der SPD-Bundestagsabgeordnete Horst Schmidbauer angekündigt, er werde dem «Gesundheitskompromiss» nicht zustimmen. Bevor man den Patienten in die Tasche greife, müsse man erst einmal bei Qualität und Wirtschaftlichkeit zu besseren Ergebnisse kommen, fordert Schmidbauer. hjr -------------------------------------------------------------------------------- © 2003 www.kobinet-nachrichten.de (Quelle) |
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