Hydrocephalus
05.04.2002
Einleitung
Ein angeborener Wasserkopf ist mit etwa 1-4 auf 1000
Lebendgeburten nicht selten. Chirurgische Maßnahmen wie eine Ableitung der
Hirnwasserkammern oder - bleibend - ein Shunt sind Maßnahmen, die das Leben und
die geistigen Fähigkeiten retten.
Hinter dem Begriff Wasserkopf verbergen sich sehr
unterschiedliche Krankheitsbilder. Ihnen ist gemeinsam, dass ein Zuviel an
Hirnwasser besteht, das die Hirnsubstanz drückt und schädigt. Viele Formen des
Wasserkopfs können mit Ableitungsverfahren der minimal invasiven Chirurgie
behandelt werden.
Das Hirnwasser umspült alle Teile des Gehirns und Rückenmarks.
Der gesamte Raum zwischen Spinngewebshaut- und weicher Hirnhaut ist mit
Hirnwasser ausgefüllt. Espolstert des Gehirns gegen Stöße ab, dient
aber auch dem Stoffaustausch der Hirnzellen. Es gibt vier Hirnwasserkammern, die
untereinander in Verbindung stehen.
Hirnwasserkammern im Verhältnis zum Schädel
Kinder
- Etwa ein bis vier Säuglinge pro 1000
Neugeborene kommen mit einem Wasserkopf zur Welt. Schuld daran sind meistens
Verklebungen der Hirnwasserabflusswege durch Entzündungen während der
Schwangerschaft oder kleine Einblutungen in die Hirnwasserkammern unter der
Geburt.
- Seltener sind angeborene Verlegungen der
Abflusswege durch Fehlbildungen oder durch Tumoren des Ungeborenen. Durch
den Aufstau von Hirnwasser weiten sich die Hirnwasserkammern.
- Beim kindlichen Schädel kommt es wegen der
noch nicht verschlossenen Schädelnähte als Druckausgleich zu einer enormen
Ausweitung des Schädels (Wolkenschädel im Röntgenbild. Das
Hirngewebe verändert sich, seine Entwicklung ist gestört.
Erwachsene
- Bei Erwachsenen sind auch geschlossene Schädel-Hirn-Verletzungen,
Hirnblutungen und Hirngefäßverschluss (Schlaganfall) eine relativ häufige
Ursache für eine Verlegung der Hirnwasserwege; seltener sind degenerative
Hirnerkrankungen mit Abbau von Gewebe (z.B. Alzheimer Krankheit) oder
Krebsgeschwülste der Grund.
- Durch die Druckschädigung des Hirngewebes
kommt es zum Abbau geistiger Fähigkeiten (Demenz, Wesensveränderung), zur
Unterbrechung von Nervenbahnen (Gangstörungen), und zur Unfähigkeit, Urin-
und Stuhlabgang zu kontrollieren. Bleibt die chirurgische Entlastung aus,
verstirbt die Hälfte der Patienten an den Folgen des Wasserkopfs (Abdrücken
und Einklemmen lebenswichtiger Gehirnzentren).
- Die nach monatelang bis jahrelang bestehendem
Wasserkopf Überlebenden besitzen laut einer Nachuntersuchung nur noch zu
11-18 Prozent normale geistige Fähigkeiten und keinerlei nervliche Ausfälle,
was die Wichtigkeit der minimal invasiven Hirnwasserableitung unterstreicht.
Vorgehensweise
Ein Computerprogramm zeigt dem Chirurgen den besten Weg zur
gestauten Hirnwasserkammer und zum Abflusshindernis. Die Therapie besteht in
einer Ableitung (Drainage, Shunt).
Das Anbringen des Bohrloch im Schädelknochen und das
Anpunktieren der Hirnwasserkammer wird entweder unter Ultraschallkontrolle oder
mit einem Navigationsprogramm vorgenommen. Diese in der Neurochirurgie häufig
eingesetzten Computerprogramme beruhen auf den Daten der bildgebenden Verfahren,
besonders des Schichtröntgens (Computertomographie), der magnetunterstützten
Schnittbildverfahren (MRT) und Ultraschallverfahren.
Die aufgenommen und gespeicherten Bilder dieser
Untersuchungen zeigen die genaue Lage und das Ausmaß der Aufweitung der
Hirnwasserkammern, die Lage und Größe des Abflusshindernis, z.B. einer
Geschwulst oder Narbe.
Der Computer ermittelt aus diesen Daten den Punkt am Schädel,
an dem der Bohrer angesetzt werden muss. Außerdem berechnet er die beste
Marschroute zu der erweiterten Hirnkammer und zu dem Abflusshindernis.
Die CT- und MRT-Bilder werden dann in den Operationscomputer
eingespeichert. Vor der Operation bringt der Chirurg diese gespeicherten
Bilddatensätze mit der Lage des Patienten auf dem Operationstisch zur Deckung.
Von außen werden sogenannte Marker (Orientierungspunkte) am Kopf des Patienten
aufgeklebt. Sechs bis neun, manchmal auch mehr Marker (Fixpunkte) am Kopf
erlauben eine eindeutige Zuordnung und werden über ein Computer-Rechenprogramm
mit dem Zielpunkt im Gehirn in Übereinstimmung gebracht. Zugleich erlauben ähnliche
Markerpunkte oder spezielle Magnet- oder Infrarotsysteme, während der Operation
ständig die Position der Instrumente in Relation zu den Strukturen des Gehirns
zu verfolgen.
Durch das Bohrloch im Schädel kann ein flexibler
Lichtleiter mit Kameraaufsatz (Endoskop) in die Hirnkammer eingeführt und die
Abflussverhältnisse eingesehen werden.
Wenn eine Geschwulst die Hirnwasserkanäle zusammendrückt,
wird sie durch Instrumente, die durch einen Endoskopkanal geschoben werden,
beseitigt oder verkleinert, manchmal werden auch die Wände des Kanals mit einem
Röhrchen aus Stahlnetz (Stent) unterstützt. Verklebungen können gelöst,
gekammerte Hohlräume gefenstert werden, damit die Zirkulation des Hirnwassers
wieder unbehindert erfolgen kann.
Kommt ein endoskopischer Eingriff nicht als Behandlung in
frage, wird ein ventilgesteuerter Shunt, d.h. eine äußere Verbindung zwischen
Hirnkammern und (heutzutage meisten) dem Bauchraum geschaffen, damit das
Hirnwasser abfließen kann. Unter der Haut, hier z.B. hinter dem Ohr, befindet
sich ein Reservoir, durch das Hirnwasser abpunktiert und untersucht werden kann.
Die Hirnwasserableitung (der Shunt) kann in
den Bauchraum oder ins Herz erfolgen
Soll der Abfluss nur vorübergehend nach außen geleitet
werden, z.B. nach einer Verletzung, spricht man von einer Drainage.
In das Schlauchsystem des Shunts eingefügte Ventile sorgen
dafür, dass Hirnwasser erst ab einem bestimmten Öffnungsdruck abfließen kann,
damit kein Unterdruck im Schädelinneren entsteht, der dem Patienten
Kopfschmerzen bereiten würde.
Der Ventilmechanismus gewährleistet eine Art
Einbahnstraße für den Ablauf des Hirnkammerwassers: die Flüssigkeit
kann aus dem Gehirn fließen, aber nicht zurück ins Gehirn gelangen
Hat eine Blutung aus einem Hirngefäß oder aus dem
Hirngewebe den Hirnwasserabfluss verlegt, wird die Blutung über ein Endoskop
abgesaugt. Geronnenes Blut kann mit einem durch das Endoskop gegebene Mittel
aufgelöst und dann abgesaugt werden. Ist eine geplatzte Blutgefäßaussackung
Ursache der Blutung, die sich in die Hirnwasserkammer Bahn brach, wird die
Gefäßaussackung über das Endoskop mit einem Clip abgebunden.
Ist der Abfluss des Hirnwassers wiederhergestellt, wird das
Endoskop mit seinen Aufsätzen entfernt. Die Hirnkammerwand und die Hirnhaut
wird geklebt oder genäht, das Bohrloch wird mit dem kleinen Knochendeckel
verschlossen. Die kleine Wunde an der Kopfschwarte wird mit Gewebekleber
geklebt.
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